Angefangen hat der ganze Lautstärke-Krieg mit den Radiosendern. Sender, die lauter waren, wurden als „besser“ wahrgenommen. Und so setzte sich ganz langsam der Floh ins Ohr: „Lauter ist besser!“
Dann kamen die 80er und die Software Pro Tools zog in die Tonstudios der Welt ein. Mit an Bord war ein Haufen Pro Tools-eigener PlugIns. Unter anderem der „L2 Ultramaximizer“. Hier war der Name Programm. „Ultramaximieren“ hieß: Den fertigen Mix, den wir gemacht hatten – von einem Song oder einem Sprachbeitrag – einfach durch den L2 jagen und brutal lauter machen. „Boah, wie geil klingt das denn …“ Dachten wir damals. Es war ja schließlich lauter. Also besser.
Das Blöde an der Sache war nur, dass jeder Depp das machen konnte. Und so kam es wie es kommen musste:
Irgendein Depp fand sich immer, der seinen Mix noch einen Tick lauter machte.
Wunderbar feststellen konnte man diesen Trend im Privatfernsehen der 90er und 00er Jahre: Wenn die Zuschauer von der romantischen Komödie in den Werbeblock schlidderten und fast einen Herzkasper bekamen, weil die Werbung so brutal lauter war als der Film. Aber war ja logisch, die Sender sind werbefinanziert. Werbung ist wichtig und laut ist gut, also musste Werbung laut sein.
Im TV lief dieser Wahnsinn bis 2012. In diesem Jahr haben ein paar schlaue Menschen die Tonaussteuerung von Hörfunk- und Fernsehprogrammen neu definiert. Von da an gab es die Lautstärke-Empfehlung der europäischen Rundfunkunion, kurz EBU-Empfehlung R 128. Mit der R 128-Methode wurde Lautstärke nicht anhand des Pegels, sondern nach dem Lautstärke-Empfinden gemessen. Damals arbeitete ich als Audio Producer bei ProSieben/SAT.1 und ja, ich gebe es zu, ich war auch einer der Deppen, die das Audiosignal zu Tode gequetscht hatten, mithilfe des L2 Ultramaxmizers. Auch ich bin eventuell für den Herztod diverser Menschen verantwortlich, die sich beim Wechsel vom Film zum Werbeblock zu Tode erschrocken haben.
Doch zurück zur EBU R 128: Die wurde auch bei ProSieben/SAT.1 eingeführt. Unsere Mischungen mussten dieses Messverfahren passieren. Ich erinnere mich noch sehr gut, dass meine Mixe drei Tage lang abgelehnt wurden, weil sie immer noch zu laut waren. Nach Wochen hatte ich mich eingegroovt. Unglaublich angenehmer Nebenaspekt der R128 Geschichte war, dass ich zum Feierabend immer viel entspannter war. Mmmmmh, warum bloß? Na, weil ich mein Gehirn nicht mehr durch das viel zu laute Audio platt geballert hatte.
Mittlerweile habe ich für unsere Audio-Produktion bei der Medienproduktion München eine andere Mischungs-Lautstärke entdeckt. Und zwar über Spotify. Ob Spotify jetzt Segen oder Satan für Musiker ist, möchte ich hier nicht diskutieren. Für uns ist Spotify wichtig, weil sie sehr stark, wie wir, auf Podcasts setzen. Und weil Sie eine eigene Lautstärke Regelung definiert haben, die für mich die eierlegende Wollmilchsau ist. Spotify geht nämlich her und „bestraft“ zu laut gemasterte Produktionen mit einem Lautstärke Abzug. Zu laut ist schlecht. Krass. Wer hätte das im Jahr 1990 gedacht?
Nur, woher weiß ich, ob und wie mich Spotify bestrafen wird. Ganz einfach. Durch den Online-Service „Loudness Penalty“. Geht so:
https://www.loudnesspenalty.com/# laden und den eigenen Mix hochladen. Das Ergebnis sehen und den Mix korrigieren. Wenn der Mix richtig korrigiert ist, dann sollte das Ergebnis wie folgt aussehen:
Spotify würde unseren Mix 0,1 dB lauter machen und iTunes würde den Mix so lassen wie er ist: Deezer zieht uns ein halbes dB ab und Pandora schenkt uns ein halbes dB. Mit diesem Ergebnis können wir wunderbar leben.
Ach ja: Ich hätte einen L2 Ultramaximizer zu verkaufen. Jemand Interesse?