„Kann das nicht die Kollegin aus der Buchhaltung sprechen, die hat so eine schöne Stimme!?“
Petschorino, Brei und Jöda. Was? Na, Käsesorten! Sie kennen die „korrekte Aussprache“-Videos auf dem youtube-Kanal der Wundertütenfabrik? Ein großes Vergnügen auch für Profisprecher wie mich. Weil – auch wenn es Quatsch ist – klar wird, was alles dazu gehört, um „richtig zu sprechen“. Das nämlich braucht seine Zeit…
Meine ersten Beiträge auf Radio Charivari in München gibt es noch – auf Kassette, hüstel. Sie offenbaren das ganze Anfänger-Dilemma: der bayerische Dialekt schlägt voll durch; der Anfänger-Singsang leiert rauf und runter, rauf und runter. Und ich bemühe mich angestrengt, mit gaaaanz tiefer Stimme zu sprechen, weil ich dachte, das muss so.
Meinen diversen Sprechtrainern ein Trulalla! Sie haben gute Arbeit geleistet. Aus dem bayerischen „Könick Ludwick“ wurde schon bald ein „Könich Ludwich“ und unzählige andere Fehler, Verknotungen und Unwissenheiten landeten auf dem Sprechmüllhaufen: falsche Betonungen, verschluckte Wortendungen oder Spucke-Risse (das ist, wenn es „klackt“ z.B. beim A).
Profisprecher + Tontechnik = Gutes Audio!
Und selbst wenn es mal klackt oder das S zischt: ein Hoch auf die digitale Schnitttechnik. Jeder Klacker hat (für das geübte Auge) in der Audio-Wellenform ein ganz spezifisches Aussehen: erkannt, gebannt, raus damit. Digitale Zauber-Software mit DeEsser, DeHummer, Equalizer, Limiter tut ihr Übriges. Es muss also in keiner Audio-Datei „Unstimmigkeiten“ geben, kein Rauschen, kein Schmatzen, keine leiernde Stimme.
„Pff… Sprechen? Das kann doch jeder!“
Sicher. Ich so zum Profi-Pianisten: „Kuck mal, ich habe Hände und Finger, runter vom Hocker, lass mich Klavier spielen!“ Lippen und Stimmbänder zu haben, reicht nicht, um professionell sprechen zu können. Zwei Beine zu haben macht noch keinen Neymar. Und die Seitenbacher-Spots sind die schräge Ausnahme von der Regel. Hat schon seinen Grund, warum nicht jede Unternehmerin ihre Imagevideos selbst vertont oder der Praktikant den Podcast spricht.
Sprechen – Vorlesen – Vertonen. Vielleicht keine Kunst, aber wichtiges Handwerk
Profi-Sprecher greifen auf einen üppigen Werkzeugkasten zurück, den sie sich im Lauf ihrer Karriere erarbeitet haben. Wie viel davon wir derart verinnerlicht haben, dass wir es gar nicht mehr bewusst machen, merke ich am „Eeecht, das bist Duuuuu?“ Das höre ich oft von Leuten, die mich privat kennen, zum ersten Mal eine Produktion von uns sehen oder hören und die beiden Stimmen überhaupt nicht zueinander bringen: die professionelle und die private. Wie Schauspieler können wir diese Profession einschalten – oder eben weglassen.
Schreiben für’s Sprechen – unterschätzt, aber wichtig
Und es gibt noch einen wichtigen, gerne vernachlässigten Aspekt, warum an Audio Profis ran sollen: Texte, die gesprochen – und verstanden – werden sollen, müssen auch ENT-SPRECHEND geschrieben werden. Und auch das ist ein Handwerk mit vielen goldenen Regeln. Denn wer zuhört, kann nicht noch mal nachlesen, er ist darauf angewiesen, dass er dem Text folgen kann, Satz für Satz, Information für Information. Deswegen gilt: keine Schachtelsätze, Aktiva statt Passiva, Partizipkonstruktionen meiden, Zahlen/Daten nur in Maßen, Verb nach vorne, wichtige Begriffe wiederholen, Nominalstil meiden, Fremdwörter meiden… usw. usw.
Warum das alles? Das müssen Sie als Nicht-Profi nicht wissen. Sie müssen nur wissen, wer sowas weiß. Und dass ein Profi immer besser „vertont“ als ein Laie „vorliest“. Versprochen.